Einmal im Jahr findet an der Marie-Baum-Schule traditionell der Theatertag statt. Circa 600 Schülerinnen und Schüler und 50 Lehrkräfte der Schule füllen dann den kompletten Marguerre-Saal des Theaters der Stadt Heidelberg.

Auf die Frage, warum sie sich für den Theatertag einsetze, äußert Célia Bernardino Kellert, Lehrerin an der MBS für Musik und Deutsch und für die Kooperation mit dem Theater Heidelberg zuständig: „Die verschiedenen Künste und die Wissenschaften im Allgemeinen sind die einflussreichsten Bildungsmittel, die wir haben. Für mich verknüpft Theater Sprache, Musik, bildende Kunst, Video, Medien, Sport, Tanz, etc. Aber auch der Mensch steht im Mittelpunkt, denn all das, was eine Aufführung betrifft, Inszenierung, Rollenspiel, aber auch der Umgang mit Unerwartetem, sind in der heutigen Zeit wesentliche Bestandteile verschiedener beruflichen und außerberuflichen Lebenskonzepte. Zusammenfassend: Der Bildungsauftrag ist der Kunst inhärent.“

In diesem Jahr stand für die Vormittagsvorstellung Anfang Dezember ein Klassiker auf dem Programm, die tragische Komödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt.  Nach einer informativen Einführung durch die Dramaturgin der Inszenierung begann die zweistündige Vorführung im komplett gefüllten Theatersaal, in dem zehn Schauspielerinnen und Schauspieler die Bühne Heidelbergs in die korrupte Kleinstadt Güllen verwandelten.

Die moderne Inszenierung von Alexander Charim, die erst im November Premiere feierte, kombiniert Dürrenmatts Klassiker des 20. Jahrhunderts mit dem Werk „Erinnerung eines Mädchens“ der aktuellen Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux. In der Bühnenfassung wird die Hauptfigur der alten Dame auf zwei Figuren aufgeteilt. Das junge Ich aus der Vergangenheit und die alte Dame als Rückkehrerin, die immer wieder über ihre Erinnerungen berichtet, treten als Doppelfigur Claire Zachanassian/Kläri Wäscher auf.

Geschwängert und dann durch eine gekaufte Falschaussage ins Elend getrieben – der Plot kommt in Zeiten von Metoo erstaunlich aktuell daher. Was geschieht? Multimilliardärin Claire Zachanassian, ehemals Kläri Wäscher, begibt sich nach 45 Jahren in ihre Heimatstadt Güllen und trifft dort auf Alfred. Zuletzt sahen sie einander vor Gericht, als Alfred die Vaterschaft ihres gemeinsamen unehelichen Kindes leugnete und Kläri ins soziale Elend stürzte. Nun kehrt die alte Dame mit großen Racheplänen nach Güllen zurück. Die Bürgerinnen und Bürger der bankrotten Stadt hoffen auf viel Geld, das die reiche Dame ihnen sponsert. Sie macht es, allerdings nur unter einer Bedingung: Alfred soll ermordet werden. Zunächst wehren sich alle gegen das unmoralische Angebot, aber am Ende siegt die alte Dame und die bittere Wahrheit wird offenbart: Mit Geld kann man alles kaufen.

Die moderne Inszenierung mit der alten und der jungen Dame, in der jegliche Humanität abhanden geht und die Güllener zu Mördern ihres Mitbürgers werden, kam bei Jung und Alt prima an. Ein spannender, anregender, gemeinsamer Vormittag, der Lust auf mehr Theater macht!

SL