Der Theatertag an der Marie-Baum-Schule ist eine schöne Tradition geworden. Fast alle Klassen der MBS verfolgten am 20.02.2020 eine der letzten Aufführungen des Stadttheaters Heidelberg vor dem allgemeinen Corona-Shutdown. Diesmal wurde Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ aufgeführt.

Wer ist gut, und wann ist gut genug? Die zentrale Frage des Dramas kreist einerseits um Themen wie Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit in Zeiten sozialer Ungerechtigkeit. Gleichzeitig geht es aber auch um die Ausnutzung anderer und persönliche Belastungsgrenzen.

Die Götter wollen herausfinden, ob es noch gute Menschen gibt und besuchen die Stadt Sezuan. Doch nur die arme Prostituierte ‚Shen Te‘ ist bereit, ihnen eine Unterkunft anzubieten. Zum Dank und als Experiment überlassen sie ihr ein kleines Vermögen. Sie wollen herausfinden, ob sie dieses positiv und zum Wohl der Gemeinschaft einsetzt.
Die Protagonistin eröffnet einen Tabak- und Kleinwarenladen. Doch statt Kunden erscheinen sofort bedürftige Bittsteller, denen sie nach Kräften hilft und Unterkunft gewährt. Ihre Hilfsbereitschaft wird aber schließlich so sehr ausgenutzt, dass sie sich zu einer List entschließt: Sie verkleidet sich in den fiktiven, kapitalistischen Cousin ‚Shui Ta‘, der sich ab sofort mit strenger Hand um die Geschäfte kümmert. Trotzdem lassen sich persönliche Enttäuschungen, ihr wirtschaftlicher Ruin und schließlich sogar eine Anklage wegen Überschuldung nicht vermeiden.
Das Drama hat ein offenes Ende: In der letzten Szene treffen sich wieder die Götter, die in ihrer Rolle als Richter Shen Tes Fall verhandeln. Sie sehen zwar ihre schwierige Lage, sind aber unschlüssig, ob oder wie sich die Situation aufklären lässt. Der Vorhang fällt, und alle Fragen bleiben offen.

Wir bedanken uns für die lehrreiche und spannende Aufführung durch das Stadttheater Heidelberg, die unsere Schüler*innen beschäftigt hat und für weitere Diskussionen sorgte. Bertolt Brechts Klassiker wurde einerseits in der Tradition des Epischen Theaters inszeniert: Die Akteure auf der Bühne kommentierten als kritische Betrachter ihre eigenen Handlungen. Unterbrechungen wie kunstvolle Schattenspiele oder die musikalischen Einlagen erzeugten eine Distanz, aus der wir uns als Zuschauer selbst mit dem Dilemma zwischen Nächstenliebe, Überforderung und Egoismus beschäftigen konnten. Gleichzeitig gelang den Schauspieler*innen eine spannende, überzeugende und auch humorvolle Darbietung, obwohl das Theaterstück ohne Pause gespielt wurde.

Wir hoffen sehr, dass der Corona-Shutdown, der auch besonders alle Mitarbeiter und Schauspieler des Stadttheaters Heidelberg betrifft, nicht mehr lange anhalten muss. Und auf jeden Fall freuen wir uns auf den nächsten Theatertag im kommenden Schuljahr. Und natürlich bedanken wir uns sehr bei unserer Deutschlehrerin Frau Scherer für die Organisation.

PS/SR